Der Regen prasselt unaufhörlich ans Küchenfenster. Das Holz hinterm Haus wartet heute aber vergeblich auf einen Zuschneider. Denn wer arbeitet bei diesem Wetter schon gerne im Freien.
Eigentlich müsste meine Stimmung daher auf dem Tiefpunkt sein, aber davon kann ich im Moment nur wenig spüren.
Obwohl es erst 16.00 Uhr ist, scheint sich die Nacht schon einschleichen zu wollen. Höchste Zeit rauszugehen.
Nicht das Brennholz, sondern das lebende Holz, der Wald ruft.
Es hat zwar nur magere 5° und es regnet in Strömen, doch ich bin freudig erregt. Der Gedanke irgendwie verrückt zu sein, liegt mir ganz fern. Nach wenigen Minuten bin ich quitschnass. Der Regen der letzten Wochen hat die Wege mächtig aufgeweicht, doch auch das stört mich nicht im geringsten.
Vor ein paar Tagen hatte ich einer Runde "Gleichaltriger" gelauscht, und war über deren Gesprächsthemen und Lebenseinstellungen geschockt.
"Ich bin zwar auch ein alter Sack, aber das kanns nicht gewesen sein", schoß es mir dabei geschockt durch den Kopf. "Sind meine anhaltenden Schmerzen in Knie und Waden den schon die Vorboten des nahenden Endes", ich will es einfach nicht glauben.

Langsam wird es richtig dunkel. Aber meine Stirnlampe liegt zuhause in der trockenen Schublade. Ich beschließe meine Tour ein wenig abzukürzen.
Auch heute halten sich die Wildschweine an unseren Pakt, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Die vielen frischen Spuren am Boden lassen aber darauf schließen, dass sie mich garantiert im Auge haben.
Die Jäger haben heute scheinbar auch die richtige Brille auf, und lassen mich unbeschossen meine letzten Kilometer drehen. Obwohl auch die "wasserdichten" Schuhe inzwischen aufgegeben haben, fühle ich mich äußerst wohl in meiner Haut.
Ich genieße die Gnade bei jedem Wetter nahezu erkältungsfrei unterwegs sein zu dürfen. Mit frisch geordenten Gedanken und einem Lächeln auf den Lippen beende ich einen Lauf der mir wiedereinmal ein Stück Freiheit und Zufriedenheit geschenkt hat. Einfach unbezahlbar.