Geschrieben nach meinem Jungfrau Marathon 2007
Emotionen am Berg
Die letzten Meter vor dem Ziel werden zum großen Tränenlauf. Am höchsten Punkt des Marathons auf 2200 Metern Höhe, ist der Klang des legendären Dudelsackspielers die herrlichste Musik der Welt. Noch 1000 Meter trennen die Läufer vom Ziel auf der Kleinen Scheideck.
Butterweich werden die „härtesten“ Männer hier gleich ankommen, denn bei nahezu allen Läufern liegen Nerven und Seele blank. Auch ich kann mich schon einige Meter vor dem Zielstrich meiner Tränen nicht mehr erwehren. Die Härte der letzten Kilometer hat mich völlig aufgewühlt. Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen und lassen hemmungslos ihren Emotionen freien Lauf.
Ein ganzer Läufervolk liegt entweder vor Freude oder gewaltiger Demut in Tränen !
Hier oben am Berg sind nach 42 Kilometer alle gleich, egal ob ihr Lauf drei, fünf oder sechs Stunden gedauert hat. Jeder ist kaputt und trotzdem überglücklich. Für mich ist der Traum vieler Marathonläufer in Erfüllung gegangen einmal das Finishertrikot des Jungfraumarathons überzustreifen zu dürfen.
Vergessen sind jetzt die unmenschlichen Qualen der steilen Anstiege in der prallen Mittagssonne. Keiner denkt mehr an die ausgebrannte Kehle die sich immer schwerer tat noch Flüssigkeiten aufzunehmen. Lächelnd betrachtet man jetzt seinen Selbstzweifel als auf den letzten Kilometern beide Waden den Aufstand probten, und der Magen lautstarke Protestrufe ausstieß. Jetzt steht man oben, ganz Oben. Was für ein Erlebnis!
Später am Abend beim Bankett lausche ich „alten“ Berghasen wie sie über die tiefen Spuren sprechen, die Erlebnisläufe dieser Art hinterlassen. Sie lachen über Kleinkriege die viele Familien zu ihrem Lebensinhalt machen und haben für manche anderen „wichtigen“ Nebensächlichkeiten nur noch ein müdes Lächeln übrig.
Ich höre dabei aber keine Überheblichkeit heraus, sondern gesundes Selbstbewusstsein das wahrscheinlich aus der Kraft erwachsen ist, Unmögliches möglich zu machen. Und in manchen Sätzen fällt es mir gar nicht schwer mich selbst darin wieder zu finden.
Viele, wie auch ich, brauchen Tage oder sogar Wochen den Film des Laufes richtig zu ordnen. Immer wieder kommen vergessene oder verdrängte Details hinzu, die sich nun erst langsam zu einem großen Puzzle zusammenfügen.
Der Ruf des Berges war gewaltig. Er wird mich irgendwann wieder einholen.