Um 4:00 Uhr ist die Nacht zuende. Obwohl ich sieben Stunden im Bett war, habe ich nur wenig geschlafen.
Außerdem ist es saukalt, denn irgendwann in der Nacht hat sich die Klimaanlage von alleine eingeschaltet.
Frierend quäle ich mich in meine Laufklamotten und mache mich auf den Weg in den Frühstücksraum.
Die „Griechen“ hatten unsere Bitte nach einem anständigen Marathonfrühstück verstanden und bereits das volle Programm aufgebaut. Wieder war ein Wackelkandidat abgehakt.
Nach dem Frühstück begehe ich den ersten Fehler des noch jungen Tages. Ohne vernünftigen Grund wechsle ich noch einmal meine Laufschuhe. Aber nun gibt kein zurück mehr. Mit der Metro fährt unsere Gruppe zu einer zentralen Abfahrtstelle für die Busse nach Marathon. Dort werden mir meine letzten großen Sorgen genommen. Perfekt organisiert wartet eine große Anzahl von Bussen auf ihre Laufgäste.
Anstelle eines beruhigten Nickerchens mache ich einen zweiten Fehler. Ich verfolge Meter für Meter die Strecke, über die ich mich in den nächsten Stunden in umgekehrter Richtung quälen würde. Mit jedem Kilometer wurde es mir wärmer ums Herz und alte Zweifel traten wieder auf.
Zusammen mit der Sonne kam unser Bus 45 Minuten später in Marathon an. Nun trennten uns „nur“ noch zwei lange Stunden vom Start des Athenmarathons. Viele Läuferinnen und Läufer werden jetzt zu perfekten Schauspielern und täuschen Souveränität und Gelassenheit vor. Der Blick ins Innere, würde wohl ganz andere Ergebnisse bringen.
Die Erlösung kommt kurz nach 9:00 Uhr. Der Startschuss schickt nahezu 11.000 Starter Richtung Athen los.
Während in Deutschland düsteres Regenwetter herrscht zeigt das griechische Thermometer bereits 18° Grad an. Die Organisatoren des Marathons waren auf diese Situation aber bestens vorbereitet. Alle 2,5 Kilometer hatte man für eine üppige Wasserversorgung gesorgt und auch Ärzte und Sanitäter in großer Anzahl entlang der Strecke postiert.
Der klassische Marathonlauf von Marathon nach Athen ist keine sonderlich schöne Strecke. Weder landschaftliche Höhenpunkte noch innerstädtische Sehenswürdigkeiten zeichnen ihn aus. Breite Straßen und heißes Asphalt sind die Merkmale dieses Laufes. Keine hohen Berge aber kilometerlange Anstiege zermürben die Beine. Nahezu schattenlos ziehen die Läufer an Tankstellen, Lidl`s und Aldis vorbei Richtung der Athener Innenstadt. Wer seinen Lauf bis dorthin schadlos überstanden hat, kann es fortan lockerer angehen lassen. Denn die letzten 10 Kilometer gehen nur noch bergab.
Für mich persönlich liefen die ersten Kilometer unspektakulär. Solange wie möglich wollte ich einen 7er Schnitt laufen. Ein Traumziel wäre für mich eine Zeit unter 5 Stunden gewesen. Nach meiner ersten echten „Fotoauszeit“ bei Kilometer 15 ( Der einzige Blick aufs Mehr) lag ich noch ziemlich gut im Plan. Als „Kind“ des Pfälzerwaldes wartete ich mit Spannung auf die kommenden Berge. Mein Vertrauen in die Bergfähigkeit meiner Beine wurde jedoch tiefst enttäuscht. Nach knapp vier Stunden erreichte ich ziemlich ausgepumpt den höchsten Punkt der Strecke bei Kilometer 31.
Ab der Halbmarathonmarke machten sich die ersten Blasen bemerkbar. Das ist zwar sehr unangenehm, aber kein Grund die Waffen zu strecken. Die Füße sind ja ziemlich leidensfähig.
Obwohl meine Geschwindigkeit immer mehr sank, war ich nur noch auf der Überholspur. Ein seltenes Bild für mich, aber nicht unangenehm. Immer mehr Läufer mussten wohl den Temperaturen Tribut zollen und belagerten in Scharen die Sanitätspunkte. Für kleinste Schattenstellen wechselte man inzwischen die andere Straßenseite und Wasserflaschen wurden in Duschen umfunktioniert.
Dann war es endlich soweit. Von einer Allee, an deren Straßenrand Tausende begeisterte Menschen standen, geht es ins Olympiastadion von Athen. Feierlicher kann ein Einlauf nicht sein. Kein Spektakel mit Licht und Feuerwerk, nur Musik spielt zum Einzug der „Läufergladiatoren.“ Die Zuschauer jubeln dem achttausendsten Einläufer genauso zu als wenn er der Sieger wäre.
Alles was der Körper noch an Flüssigkeit übrig hat, fließt nun in Form von Tränen aus den Augen. Es ist ein ergreifender Moment über die Ziellinie dieses monumentalen Stadions zu laufen. Bei den Olympischen Spielen 2004 wurde an gleicher Stelle um Gold, Silber und Bronze Medaillen gerungen.
Trotz brennender Fußsolen feiere ich die 5:32 Std. wie ein Sieg. Was für ein Tag. Es war ein Höhepunkt in meiner Marathonkarriere.
In großer Demut sage ich allen Danke die mir geholfen haben, dass ich nach schwerer Zeit , diesen herrlichen Tag in Athen erleben durfte. Weitere
Fotos gibt es hier