Den Puls auf 180 rase ich meinem Arzttermin entgegen. Zuerst auf der Straße dann im steilen Treppenhaus. „Kannst Du nicht einmal pünktlich sein“, schießt es mir durch den Kopf.
Auf der Treppe treffe ich einen Bekannten, der vielleicht halb so alt, aber doppelt so dick wie ich ist. „Mach langsam“ ruft er mir entgegen, „sonst legen sie Dich drinnen gleich auf die Bahre.“ Ich überwinde mich zu einem Lächeln und entgegne ihm: „hast Du abgenommen?“
Da sein Gewicht ständig steigt, war das wie ein Schlag an seine Kienlade. Wortlos quälte er sich dem Ausgang entgegen.
Aber er hatte recht gehabt. Man wartet keinesfalls bereits auf mich. Zwischen hustenden und niesenden Gestalten bahne ich mir einen Korridor Richtung Wartezimmer.
„Ihre Frau hat schon angekündigt, dass unser armer Läufer kränkelt!“ ruft mir die Sprechstundenhilfe entgegen. „Geht es noch etwas lauter, oder sollen wir es etwa gleich in die Zeitung setzen“, hätte ich zu gerne laut zurück geschrieen, aber ich traue mich nicht.
Erkannt, und mit dem ganzen Wartezimmer bereits bekannt gemacht, suche ich mir einen Platz inmitten der anderen Leidenden. Bereits nach wenigen Minuten bereue ich, mich zwischen zwei Damen mittleren Alters gesetzt zu haben. Denn ziemlich argwöhnisch betrachteten sie die Auswahl meiner Zeitschriftenlektüre. Bei der Praline traue ich mich nur das Titelbild oberflächlich zu betrachten. Nach fünf weitern Frauenzeitschriften frage ich mich, ob ich überhaupt beim richtigen Arzt gelandet bin. Zum Glück entdecke ich am anderen Ende des Tisches ein vermeintlich züchtiges Magazin; einen Stern.
Doch die Überschrift :
Männer über 50, Sexprotz oder Angsthase hat es in sich. Sie weckt einerseits mein Interesse, zum andern aber auch die Befürchtung, mich irgendwo zwischen den Zeilen wieder zu erkennen.
Bereits bei den ersten Sätzen spüre ich, dass mehr als zwei Augen mächtig Interesse an dieser Enthüllungsstory zeigten. Atemlos lesen meine Nachbarinnen und ich gemeinsam die Geschichte der heißblütigen 55jährigen Erika deren neuer Freund sich bereits nach wenigen Wochen vom Traummann zum impotenten Loser entwickelte. Es schien mir, als belauerten wir uns gegenseitig, wer wohl welche Rolle im realen Leben spielt. Gerne hätte ich eine Diskussion mit den beiden Damen angefangen, aber jedes Mal wenn ich sie ansah, drehten sie sich diskret zur Seite.
Am Ende der Geschichte empfahl der Autor dann dringend rechtzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit „Sie sind dran“, erlöste mich die Stimme der Arthelferin vom weiteren grübeln. „Na, bei was für einer Sportart bleibt Ihnen denn die Luft weg“ begrüßte mich ein gut gelaunter Doktor. „Beim laufen, und ausschließlich beim laufen“, stammelte ich verzweifelt heraus.
„Heute ist wohl nicht Dein Tag“ denke ich später im Auto. „Am besten Du legst Dich früh ins Bett, drehst Dich diskret zur Seite, und lässt gar keine falschen Schlüsse aufkommen.“
Lass mich heut Dein Loser sein!
PS: Bild stammt aus meinen Protzzeiten.