Hallo, ich bin der Michael. Morgen früh darf ich wieder im
Startblock eines großen Marathons stehen; ja ich darf ich muss nicht. Aber das
ist nur ein kleiner Trost; eigentlich gar keiner. Es lässt sich nur schwer
beschreiben aber meine Nerven sind gespannt wie ein Flitzbogen. Viele
Unwissende nennen mich einen Laufprofi. Aber auch noch so viele Marathonläufe
und andere krumme Dinger lassen mich nicht zur Maschine werden.
Am Donnerstag habe ich es zum ersten Mal wieder gespürt. Es
kribbelte im Bauch. Und obwohl ich prächtig vorbereitet bin und alle Gelenke
volle Einsatzbereitschaft zeigen, spüre ich einen Hauch von Selbstzweifel. Ich
bin kein Frühaufsteher. Trotzdem ist für mich am Freitagmorgen bereits um 6.30
Uhr die Nacht zu Ende. Ein feuchtes Schlafanzug Oberteil macht mir klar das es
langsam ernst wird. Den Streckenplan kenne ich zwar schon in und auswendig,
aber ich laufe an diesem Morgen geistig schon wieder die 42 Km ab. Wie ein
Kaugummi zieht sich der restliche Tag hin. Den Abend ziehe ich mit viel Fernsehen
in die Länge. Matula, der Held meines Lieblingskrimis, bleibt heute blass. Ich
habe garantiert eine bessere Gesichtfarbe wie er. Mein Blutdruck hat nämlich
die Grenze der Normalität schon längst verlassen.
Überraschend habe ich diese Nacht gut geschlafen. Aber die
innere Ruhe hält nur kurz an. Eine Grippe scheint sich in meinen Körper ein zu
schleichen. Mit dickem Pullover warte ich mit großer Unruhe auf deren Ausbruch.
Aber er wird weder heute noch morgen kommen. Alles reine Nervensache.
Auf Facebook lese ich das „Steffi K.“ morgen einen geilen
Tag erwartet und „Toni S.“ bestätigt ihr, dass sie diese Stecke notfalls
locker rückwärts rocken kann.
Bin zwar kein Laufprofi aber ein sehr guter Menschenkenner.
Viele Läufer sind Schaumschläger was ihre Gefühle vor einem Lauf betrifft. Wer
am lautesten schreit und die meisten Sprüche klopft hat oft am meisten schiss.
So wie ich, nur ich bin leise. Sehr leise.
So gegen 14.00 am Samstag fange ich an zurück zu
rechnen. „In 24 Stunden ist alles rum“,
rede ich mir beruhigend zu. Es klappt. Aber nur für einige Minuten. Wieder und
wieder plane ich den morgigen Tag durch. Schuhe, Trikot, Laufchip, Anmeldung,
Pflaster, Salz alles liegt für morgen bereit. Bis morgen früh werde ich es
trotzdem noch ein paar mal auf Vollständigkeit prüfen. Mit meinen Schuhen stehe
ich noch auf Kriegsfuß. Keiner passt heute so richtig. Garantiert werde ich
morgen früh wieder die Falschen anziehen.
In der Nacht vor dem Lauf gebe ich meinem Schlafanzug den
Rest. Heute ist er reif für den Wäschetrockner. Beunruhigt versuche ich den
Wasserverlust wieder auszugleichen.
Aber am Lauftag mag mein Magen weder Flüssigkeit noch feste Nahrung. Trotzdem
zwinge ich alles Machbare in mich hinein. Ich starte mein Auto viel früher als
notwendig. Alle Staus der Welt sind in meinen Plänen eingearbeitet. Mit der
Startnummer am Trikot begegne ich Lars M. und rufe im zu „Geiler Tag heute.“ Im
Überschwang der Gefühle antwortet er „diesen Marathon rockst Du notfalls
rückwärts.“ good luck, Lars
PS: Ich werde wieder im Ziel ankommen, wie bei allen anderen
Läufen zuvor. Und ich werde über mich selber lachen wie bei allen anderen
Läufen zuvor und wahrscheinlich auch denen, die noch folgen werden.
Michael