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Sonntag, 2. April 2017

Knie, Künstler, Kompetenz Teil2

Ich trainiere mit einer Knieprothese


Thorsten B. aus der Pfalz lässt kein gutes Haar an der Reha Klinik in Blieskastel in den sozialen Netztwerken. Tief im Wald und lange weiße Gänge wie im Knast sind nur zwei seiner vielen Minuspunkte die er ausgemacht haben will. Und selbst weitere negativen Erzählungen von Bekannten über alle möglichen Macken des Hauses bringen mich nicht davon ab, hier meine Reha anzutreten. Ein letztes Mal durchzuckt es noch einmal meinen Kopf als ich höre dass alteingesessene Bürger des Ortes den Wald rund um die Klinik meiden sollen, um den Verrückten von oben, aus dem Wege zu gehen. 

So ist es mir hoffentlich zu verzeihen, dass ich mit etwas Herzklopfen die Serpentinen hoch zum Blieskastler Spitzenberg fuhr. Morgens Kaffee, mittags Wasser und abends Tee. Na ja, Ich werde die 504 Stunden schon irgendwie hinter mich bringen. Solange zumindest habe ich mal vorsichtshalber mit einem WLAN Anschluss, das Tor nach Draußen offengelassen.

Das aber alles ganz anders kommen kann, liegt nicht nur an meiner positiven Weltanschauung, sondern auch daran das man nicht jedem Nörgler oder unzufriedenen Kautz Glauben schenken sollte. Stutzig gemacht hatte mich schon der Empfang. Sollten hinter diesen freundlichen Menschen wirklich teuflische Mächte stecken so wie man sie mir quasi angedroht hatte? Und glaubt mir Freunde, meine Zeit ist hier inzwischen abgelaufen und ich habe trotz intensiver Suche die ganzen negativen Punkte nicht gefunden.

Aber was ich gefunden habe, möchte ich Euch nicht vorenthalten. Fast in jedem weißen Gang hängen bunte Bilder und auf meinen vielen Spaziergängen sind mir fast ausnahmslos Einheimische begegnet. Innerhalb des Hauses sind mir zwar auch ein paar Verrückte in die Quere gekommen aber keinesfalls mehr wie draußen in der realen Welt. Eine Küche mit 5 ***** Niveau blieb mir zwar verborgen, aber ich durfte ein Essen genießen, das ich von Auswahl und Geschmack von einer Großküche niemals erwartet hätte. Als bekennender „Schnäcker“ kann ich nur ein sehr großes Lob aussprechen. Mir hat es sehr gut geschmeckt. 

Das Wetter war nicht jeden Tag das Beste, was außer mir den meisten Nörglern wohl gar nicht so groß aufgefallen ist. Sehr oft war ich fast alleine im Wald unterwegs, was vielleicht daran liegen könnte, dass nirgendwo unterwegs ein Kiosk zum Urpils einlädt.
Die Zimmer sind weniger wohnlich dafür aber praktisch eingerichtet. Zum Ruhen und Schlafen ausreichend. Nur Langschläfer haben hier Probleme. Ein morgendliches Ausschlafen steht nicht auf dem Plan.
Dass es bei den Anwendungen und Therapien völlig unterschiedliche Meinungen gibt ist wahrscheinlich völlig normal. Je nach körperlichem Zustand kann es schon mal ganz schön anstrengend sein. Aber das Ziel ist nun mal der Besserung oder Heilung. Die meisten Stimmen sind jedoch positiv. Das Konzept  ist ausgewogen und  durchdacht. Bei hunderten von Patienten täglich sind ein paar menschliche oder Computerfehler verzeihbar. Ich gehöre jedenfalls zur Fraktion der Zufriedenen und bin überzeugt ohne die Hilfe des gesamten Therapeutenteams heute noch nicht so fit zu sein wie ich mich derzeit fühle.  

Ein Arzt im Krankenhaus hatte mir nach der Operation versprochen, dass die Reha mit einem Urlaub vergleichbar wäre. Ganz hat es nicht gestimmt. Aber ich bin hier in der Reha Klinik Blieskastel so freundlich umsorgt worden, dass sich viele Hotels Mühe geben müssten, diese Qualität zu erreichen   Ein bisschen Abschiedsschmerz begleitet mich deshalb schon wenn ich mich von meinen Krücken und den netten Menschen vom Spitzenberg verabschiedete. Auf Wiedersehen werde ich trotzdem nicht sagen, ein tschüss und Dankeschön muss reichen. 

Das gleiche gilt für "meine liwwe Saarländer". Pfälzer und Saarländer können sich auf den ersten Blick ja nicht richtig leiden. Der zweite Blick sieht da schon ganz anders aus. Man braucht sich zwar zum "annenanner reiwe", aber im Herzen "man, mahn sich".
Hans Pertsch
März 2017


Samstag, 4. März 2017

Knie, Künstler, Kompetenz Teil1



 Ich bekomme eine Knieprothese

Im Herbst letzten Jahres hatte ich beschlossen, mich in diesem  Jahr am Knie operieren zu lassen. Seit vielen Jahren quälte mich Tag und Nacht mein fehlender Knorpel im Knie. Inzwischen war es aber so schlimm geworden, dass Laufen keinerlei Spaß mehr mache. Daher war es höchste Zeit die Notbremse zu ziehen. Ich entschied mich für eine Teilprothese die im Krankenhaus in Rodalben eingesetzt werden sollte. Am 23.Februar war es dann soweit.

Das Endergebnis ist noch nicht abzusehen. Aber eines habe ich bereits heute verstanden. Die OP ist nur der kleine Anfang des Ganzen. Bereits kurz nach dem Eingriff  heiß es kämpfen, kämpfen, kämpfen. Ein neues Knie kommt nur dann in Schwung, wenn man zuerst seinem Kopf und dann seinem Körper richtig Dampf macht. Ruhe und Bequemlichkeit sind Gift für große Zukunftspläne. Nur laufendes Beugen und Strecken der Beine machen die Muskeln rund um das Ersatzknie wieder fit. Von alleine passiert nichts. Arzt und Therapeut sind Vortänzer, Seelsorger und Mutmacher. Der Patient ist der Vollstrecker und Herrscher über seine künftige Beweglichkeit. Das dies schmerzfrei erfolgt und funktioniert ist realitätsfremd. Ein gewisses Maß an Härte und Wille steht vor dem Erfolg.  Die Entlassung aus dem Krankenhaus ist auch nur die erste Zwischenstation. Reha und eigenes Arrangement sind die nächsten Schritte.

Für mich persönlich habe ich keine Zweifel mehr, ich will, ich kann.

Das Rodalber Orthopädische Zentrum  unter Chefarzt Dr. Roland Kiewel und Ihre Physiotherapeuten sind Spitze. Der Chef ist ein Künstler  und sein  Personal ist superfreundlich und äußerst kompetent. Hier wird man  betreut wie  ein Spitzensportler. Kompliment für die Leistung und vielen, vielen Dank.

 Hans Pertsch März 2017 

Montag, 11. Juli 2016

Berglauf Montreux - Les Rochers de Naye 2016


Wie fängt ein perfekter Tag an? Man wacht auf, und bebt innerlich noch immer erfreut über das spannende Elfmeterschießen gegen Italien, man sieht aus dem Fenster und beobachtet Schwalben beim füttern von vielen hungrigen Mäulern und auf der Fahrt zum Start überqueren fünf Glückschweinchen unmittelbar vor dem Auto die Straße. Was kann an so einem Tage noch schief gehen. Nichts. Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass ich mit 13 Euro, gerade den wohl teuersten Parkplatz den ich je bei einem Rennen bezahlt habe, ansteuere. Montreux ist eben im kleinen eine Großstadt.
Den ganzen morgen trällere ich schon Max Giesingers Superhit „einer von 80 Millionen“; und das nicht ohne Grund. Denn ich bin der einzige von 80 Millionen Deutschen die an diesem wunderschönen Sonntagmorgen am Start vor dem Bahnhof von Montreux auf den erlösenden Schuss warten. Ich bin aufgedreht wie selten und es ist mir selbst schon unheimlich wie ich bis jetzt verdrängen konnte, was in den nächsten 3 ½ Stunden so alles auf mich zukommen wird.

Entsprechend meiner Selbsteinschätzung starte ich in der dritten Gruppe. Hinter mir befinden sich aber keinesfalls die Langsamen oder die Angsthasen, hier wetzen die Nachmelder des Morgens schon Ihre Messer. Und ich spüre noch nicht einmal die ersten Schweißtropfen auf der Stirne fliegen diese schnellen Raser bereits an mir vorbei. Obwohl die ersten Anstiege noch recht human sind, reibe ich mir in den Augen als ich das Tempo mancher Läufer am Berg realisiere. Mir wird es unheimlich. Ein späterer Blick auf die Starterliste wird mir zeigen, dass die meisten Teilnehmer wohl viel Erfahrung haben und aus den Bergen der Schweiz und der französischen Alpen stammen.
Durch dunkle Schluchten und steile Bergstraßen führt es hinauf zum Halbzeitpunkt der Strecke. Nach neun Kilometer sind die ersten 600 Höhenmeter überwunden. An den Versorgungspunkten stehen inzwischen mehr Helfer wie Läuferinnen und Läufer. Die große Schar ist längst schon einige Kilometer weiter. 
Dafür schenkt man den letzen Verbliebenen um so mehr Aufmerksamkeit. Das hat nur einen kleinen Haken. Alle Liebesbemühungen sind vergebens wenn man nicht die gleiche Sprache spricht. Mit einem Lächeln komme ich aber meistens doch ans Ziel. Am Schriftzug auf meinem Laufshirt erkennt man leicht meine deutsche Herkunft. Viele Zurufe deute ich einfach positiv und nehme sie für „Le Mannschaft“ freundlich entgegen. Da die Deutsche Fußballnationalmannschaft im nahen Evian wohnt, ist das Interesse an Schwarz- Rot- Gold in der Region ernorm groß.
Aber alle Nettigkeiten helfen wenig, denn laufen muss ich ganz alleine. Auf den nächsten Kilometern geht es „flach“ zu. Der Weg zieht sich rund um den Berg bis zu einer kleinen Almhütte. Wenn ich meinen französischen Mitläufer richtig deute, meinte er „hier geht das Rennen richtig los.“ Der folgende Anstieg zeigt mir, dass ich ihn perfekt verstanden habe. Wie bei vielen Bergläufen zeigen auch hier die Schilder rückwärts, und 4 Kilometer heißen, dass es noch weit und beschwerlich bis zum Ziel sein kann.



Ich liege so gut in der Zeit, dass ich mir eigentlich keine Sorgen machen brauche. Aber es stört mich schon gewaltig, dass einer nach dem Anderen an mir vorbeiziehen will. Wo bleibt die Gegenwehr? Manche behaupten, dass die Luft hier oben sehr dünn sei. Ich kann das nicht bestätigen, denn ich habe schon einige Zeit überhaupt keine mehr. Erst als ein Wanderehepaar vor mir auftaucht spüre ich wieder Leben. Ich schnaufe an Ihnen vorbei und der Blick auf meinen Kilometerzähler zeigt mir, dass es nur noch 400 Meter bis zum Ziel sind. „Noch einmal schnell eine Runde in der  Spesbach“, denke ich, und schon bist du da.

Aber oben am „Les Rochers de Naye“ wird es noch einmal eine endlose Viertelstunde dauern bis ich durch den Torbogen knapp unterhalb des Gipfels „renne“.  Dass ich die letzen drei Kilometer knapp 500 Höhenmeter hoch musste steht nur noch auf dem Papier, in meinem Inneren habe ich das längst vergessen.

Küsschen da, Küsschen dort. Sich oben am Berg französisch zu gratulieren ist eine wunderschöne Sache, wenn auch durch den Schweiß ein bisschen salzig. Der Blick nach einer Medaille geht jedoch ins Leere. Nach 1600 Höhenmetern und 19 anstrengenden Kilometern ist der Lohn für viel Schweiß und Mühe lediglich ein Finishershirt das man nicht kaufen sondern nur erlaufen kann.
Der Abschied ist herzlich, denn es ist ja meistens nur auf Zeit.
„Rendez-vous à la prochaine montagne oder wie wir sagen  „bis bald am nächsten Berg“



Hans Pertsch  Juli 2016  



Freitag, 3. Juni 2016

Michaels Ängste



 Hallo, ich bin der Michael. Morgen früh darf ich wieder im Startblock eines großen Marathons stehen; ja ich darf, ich muss nicht. Aber das ist nur ein kleiner Trost; eigentlich gar keiner. Es lässt sich nur schwer beschreiben aber meine Nerven sind gespannt wie ein Flitzebogen. Viele Unwissende nennen mich einen Laufprofi. Aber auch noch so viele Marathonläufe und andere krumme Dinger lassen mich nicht zur Maschine werden.
Am Donnerstag habe ich es zum ersten Mal wieder gespürt. Es kribbelte im Bauch. Und obwohl ich prächtig vorbereitet bin und alle Gelenke volle Einsatzbereitschaft zeigen, spüre ich einen Hauch von Selbstzweifel.
Ich bin kein Frühaufsteher. Trotzdem ist für mich am Freitagmorgen bereits um 6.30 Uhr die Nacht zu Ende. Ein feuchtes Schlafanzug Oberteil macht mir klar das es langsam ernst wird. Den Streckenplan kenne ich zwar schon in und auswendig, aber ich laufe an diesem Morgen geistig schon wieder die 42 Km ab. Wie ein Kaugummi zieht sich der restliche Tag dahin. Den Abend ziehe ich mit viel Fernsehen in die Länge. Matula, der Held meines Lieblingskrimis, bleibt heute blass. Ich habe garantiert eine bessere Gesichtfarbe wie er. Mein Blutdruck hat nämlich die Grenze der Normalität schon längst verlassen.
Überraschend habe ich diese Nacht gut geschlafen. Aber die innere Ruhe hält nur kurz an. Eine Grippe scheint sich in meinen Körper einzuschleichen. Mit dickem Pullover warte ich mit großer Unruhe auf deren Ausbruch. Aber sie wird weder heute noch morgen kommen. Alles reine Nervensache.

Auf Facebook lese ich, dass „Steffi K.“ morgen einen geilen Tag erwartet und „Toni S.“ bestätigt ihr, dass sie diese Stecke notfalls locker  rückwärts rocken kann. Bin zwar kein Laufprofi, aber ein sehr guter Menschenkenner. Viele Läufer sind Schaumschläger was ihre Gefühle vor einem Lauf betrifft. Wer am lautesten schreit und die derbsten Sprüche klopft, hat oft am meisten schiss. So wie ich, nur ich bin leise. Sehr leise.
So gegen 14.00 am Samstag fange ich an zurück zurechnen.  „In 24 Stunden ist alles rum“, rede ich mir beruhigend zu. Es klappt. Aber nur für einige Minuten. Wieder und wieder plane ich den morgigen Tag durch. Schuhe, Trikot, Laufchip, Anmeldung, Pflaster, Salz alles liegt für morgen bereit. Bis morgen früh werde ich es trotzdem noch ein paar mal auf Vollständigkeit prüfen. Sicher ist sicher. Mit meinen Schuhen stehe ich noch auf Kriegsfuß. Keiner passt heute so richtig. Nichts neues, aber garantiert werde ich morgen früh wieder die Falschen anziehen.
In der Nacht vor dem Lauf gebe ich meinem Schlafanzug den Rest. Heute ist er reif für den Wäschetrockner. Beunruhigt versuche ich den Wasserverlust wieder  auszugleichen. Aber am Lauftag mag mein Magen weder Flüssigkeit noch feste Nahrung. Trotzdem zwinge ich alles Machbare in mich hinein. Ich starte mein Auto viel früher als notwendig. Alle Staus der Welt sind in meinen Plänen eingearbeitet.
Mit der Startnummer am Trikot begegne ich Lars M. und rufe im zu „Geiler Tag heute.“ Und ich setze noch einen drauf „diesen Marathon rock ich notfalls rückwärts.“  good luck, Lars.
Ob es mir glaubt, wohl eher nicht, ich glaube es ja selber kaum.

PS: Ich werde wieder im Ziel ankommen, wie bei allen anderen Läufen zuvor. Und ich werde über mich selber lachen wie bei allen anderen Läufen zuvor und wahrscheinlich auch denen, die noch folgen werden.

Michael

Freitag, 20. Mai 2016

Fotorückblick auf die 25 Km von Berlin 2016



































Rückblick auf die 25 Kilometer von Berlin 2016


Manchesmal können einem die Berliner schon ein bißchen leid tun. Permanent ist in Ihrer Stadt ein Großereignis das sie zum Umdenken in der Verkehrsführung zwingt. Und wenn sie ganz großes Pech haben, müssen sie sogar für Ihr Auto kurzfristig eine neue Bleibe suchen. Und wer Parkverbotshinweise missachtet, muss mit rigorosem Abschleppen rechnen. So auch an diesem Pfingstsonntag. Auf dem Weg zum Start des traditionellen Berliner 25km Strassenlaufes wurden die Läufer Zuschauer gigantischer Abschleppvergänge entlang der Laufstrecke. Wohl nicht ganz zu Unrecht,  denn es wurde viel Platz benötigt.
Und obwohl die "kalte Sophie" den Läuferinnen und Läufern einen eklig kalten Morgen bescherte,  standen weit über 11000 Teilnehmer um 10.00 Uhr am Start um auf einem wunderschönen Kurs viele Sehenswürdigkeiten der Bundeshauptstadt per Fuß zu erkunden.

Die 25km von Berlin haben eine bewegende Vorgeschichte die in das Jahr 1981 zurück geht.  In der damaligen Zeit herrschte in Berlin  noch der Viermächtestatus der es den Deutschen nicht erlaubte, Veranstaltungen in dieser Größenordnung selbst zu organisieren. Man benötigte Freunde, Bekannte und Fürsprecher bei den Alliierten Streitkräften um Wünsche und Ziele zumindest über die Hintertür irgendwie erreichen zu können. Den das Recht der Alliierten stand damals noch über den Deutschen Gesetzen.
Einer dieser Fürsprecher war ein französischer Major der sich engagiert für einen Berliner Straßenlaufes nach dem Vorbild des 20km Laufes von Paris einsetzte. Die Resonanz war nach dem ersten Lauf bereits so groß,  dass dieses Rennen seither ein fester Bestandteil der Berliner Laufszene geworden ist.

25 Kilometer sind eine gemeine Distanz. Marathonläufer gehen im Glauben Ihrer guten Kondition die Strecke meistens viel zu schnell an. Halbmarathonläufer dagegen vertrauen vielfach auf den Spruch "wer 21 schafft, schafft auch 25". Und so kommt es dann wie es der Berliner kommentiert "dann fällste auf die Schnauze".

Das klappern von Tausenden von Zähnen übertönte den Startschuss.  Es war eine wahrhafte Erlösung endlich in Bewegung zu kommen. Als letztes klingt noch der Streckensprecher in den Ohren, als er den Läufern nachruft, die Windböen an den Steigungen nicht zu unterschätzen. Wow, Berlin das Bergdorf von Brandenburg. Langsam setzt sich der nun tief verunsicherte Tross in Gang.  Dem Kopfsteinplaster des Olympiaplatzes folgt eine ziemlich  breite Straße. Trotzdem muss man höllisch aufpassen nicht getreten oder angerempelt zu werden.  Heute hatte ich mich für ganz leichte Straßenschuhe, ohne jegliche Dämpfung,  entschieden. Genau die richtige Wahl. Ich schwebe über den Asphalt wie ein junger Gott. So kommt es mir jedenfalls vor.
Schnell ist in weiter Ferne bereits die Silhouette der Siegessäule am Horizont zu sehen.  Gleich danach taucht auch das Brandenburger Tor auf. Aber die Nähe ist eine Täuschung. Es dauert auf der kerzengeraden Straße noch knapp acht Kilometer bis beides erreicht ist. Lange Zeit ist der Zielläufer mit dem 2:42 Std. Schild ein perfekter Laufpartner für mich. Erst bei einem Fotostop am Brandenburger Tor verliere ich ihn aus den Augen. 
Inzwischen ist der Himmel beängstigend schwarz geworden und als der Potsdamer Platz im Blickfeld erscheint setzt plötzlich starker Regen ein. Jeder der sich retten kann verschwindet unter die schützenden Arkaden. Vorbei an unzähligen Modegschäften erreichen wir trockenen Hauptes den Potsdamer Platz. Aber der Himmel meinte es gut mit der Läufergruppe in der ich unterwegs war,  denn der Regen ließ genau so schnell wieder nach wie er gekommen war.

Vor den restlichen fünf Kilometern hatte ich großen Respekt. Es lief zwar noch immer sehr gut aber der eiskalte Gegenwind auf dem Rückweg ins Stadion kostete ziemlich viel Kraft.
Auch traute ich meiner Kondition nicht ganz, denn die Vorbereitung war wegen meiner Knieprobleme nicht sonderlich gut. Die angedrohten Steigungen muss ich irgendwie verschlafen haben, denn plötzlich tauchten bereits die Türme des Olympiastadion auf. Die trüben Gedanken von eben waren ins Nichts verflogen. Zwar musste noch eine lange Runde bis zum Hintereingang des Stadions gelaufen werden, dann aber war er soweit. 

Weitgeöffnet wartete das große Marathontor auf jubelnde Läuferinnen und Läufer.  Unter ohrembetäubendem Lärm von Sambamusik kommt langsam die Hertha BSC blaugefärbte Tartanbahn des Olympiastadion zum Vorschein. 
Ein herrlich weiches Laufgefühl breitet sich unter den Füßen aus. Noch nie bin ich auf den letzten Metern eines Laufes so geschwebt wie heute.  Hier an diesem Ort, wo sonst Weltmeister und Olympiasieger Geschichte schreiben, eine Medaille umgehängt zu bekommen, ist ganz großes Kino. Was für großartige Momente hat mir dieser Sport schon geschenkt. Heute war wieder ein ganz Besonderer davon. Das Leben ist wunderbar.

Hans Pertsch
17.Mai 2016

Montag, 2. Mai 2016