Manchesmal können einem die Berliner schon ein bißchen leid
tun. Permanent ist in Ihrer Stadt ein Großereignis das sie zum Umdenken in der
Verkehrsführung zwingt. Und wenn sie ganz großes Pech haben, müssen sie sogar
für Ihr Auto kurzfristig eine neue Bleibe suchen. Und wer Parkverbotshinweise
missachtet, muss mit rigorosem Abschleppen rechnen. So auch an diesem
Pfingstsonntag. Auf dem Weg zum Start des traditionellen Berliner 25km
Strassenlaufes wurden die Läufer Zuschauer gigantischer Abschleppvergänge
entlang der Laufstrecke. Wohl nicht ganz zu Unrecht, denn es wurde viel
Platz benötigt.
Und obwohl die "kalte Sophie" den Läuferinnen und
Läufern einen eklig kalten Morgen bescherte, standen weit über 11000
Teilnehmer um 10.00 Uhr am Start um auf einem wunderschönen Kurs viele
Sehenswürdigkeiten der Bundeshauptstadt per Fuß zu erkunden.
Die 25km von Berlin haben eine bewegende Vorgeschichte die in das Jahr 1981 zurück geht. In der damaligen Zeit herrschte in Berlin noch der Viermächtestatus der es den Deutschen nicht erlaubte, Veranstaltungen in dieser Größenordnung selbst zu organisieren. Man benötigte Freunde, Bekannte und Fürsprecher bei den Alliierten Streitkräften um Wünsche und Ziele zumindest über die Hintertür irgendwie erreichen zu können. Den das Recht der Alliierten stand damals noch über den Deutschen Gesetzen.
Einer dieser Fürsprecher war ein französischer Major der sich engagiert für einen Berliner Straßenlaufes nach dem Vorbild des 20km Laufes von Paris einsetzte. Die Resonanz war nach dem ersten Lauf bereits so groß, dass dieses Rennen seither ein fester Bestandteil der Berliner Laufszene geworden ist.
25 Kilometer sind eine gemeine Distanz. Marathonläufer gehen
im Glauben Ihrer guten Kondition die Strecke meistens viel zu schnell an.
Halbmarathonläufer dagegen vertrauen vielfach auf den Spruch "wer 21
schafft, schafft auch 25". Und so kommt es dann wie es der Berliner
kommentiert "dann fällste auf die Schnauze".
Das klappern von Tausenden von Zähnen übertönte den
Startschuss. Es war eine wahrhafte Erlösung endlich in Bewegung zu
kommen. Als letztes klingt noch der Streckensprecher in den Ohren, als er den
Läufern nachruft, die Windböen an den Steigungen nicht zu unterschätzen. Wow,
Berlin das Bergdorf von Brandenburg. Langsam setzt sich der nun tief
verunsicherte Tross in Gang. Dem Kopfsteinplaster des Olympiaplatzes
folgt eine ziemlich breite Straße.
Trotzdem muss man höllisch aufpassen nicht getreten oder angerempelt zu werden.
Heute hatte ich mich für ganz leichte Straßenschuhe, ohne jegliche
Dämpfung, entschieden. Genau die richtige Wahl. Ich schwebe über den
Asphalt wie ein junger Gott. So kommt es mir jedenfalls vor.
Schnell ist in weiter Ferne bereits die Silhouette der
Siegessäule am Horizont zu sehen. Gleich danach taucht auch das
Brandenburger Tor auf. Aber die Nähe ist eine Täuschung. Es dauert auf der
kerzengeraden Straße noch knapp acht Kilometer bis beides erreicht ist. Lange
Zeit ist der Zielläufer mit dem 2:42 Std. Schild ein perfekter Laufpartner für
mich. Erst bei einem Fotostop am Brandenburger Tor verliere ich ihn aus den
Augen.
Inzwischen ist der Himmel beängstigend schwarz geworden und
als der Potsdamer Platz im Blickfeld erscheint setzt plötzlich starker Regen
ein. Jeder der sich retten kann verschwindet unter die schützenden Arkaden.
Vorbei an unzähligen Modegschäften erreichen wir trockenen Hauptes den
Potsdamer Platz. Aber der Himmel meinte es gut mit der Läufergruppe in der ich
unterwegs war, denn der Regen ließ genau so schnell wieder nach wie er
gekommen war.
Vor den restlichen fünf Kilometern hatte ich großen Respekt. Es lief zwar noch
immer sehr gut aber der eiskalte Gegenwind auf dem Rückweg ins Stadion kostete
ziemlich viel Kraft.
Auch traute ich meiner Kondition nicht ganz, denn die Vorbereitung war wegen
meiner Knieprobleme nicht sonderlich gut. Die angedrohten Steigungen muss ich
irgendwie verschlafen haben, denn plötzlich tauchten bereits die Türme des
Olympiastadion auf. Die trüben Gedanken von eben waren ins Nichts verflogen.
Zwar musste noch eine lange Runde bis zum Hintereingang des Stadions gelaufen
werden, dann aber war er soweit.
Weitgeöffnet wartete das große Marathontor auf jubelnde
Läuferinnen und Läufer. Unter
ohrembetäubendem Lärm von Sambamusik kommt langsam die Hertha BSC blaugefärbte
Tartanbahn des Olympiastadion zum Vorschein.
Ein herrlich weiches Laufgefühl breitet sich unter den Füßen
aus. Noch nie bin ich auf den letzten Metern eines Laufes so geschwebt wie
heute. Hier an diesem Ort, wo sonst Weltmeister und Olympiasieger
Geschichte schreiben, eine Medaille umgehängt zu bekommen, ist ganz großes
Kino. Was für großartige Momente hat mir dieser Sport schon geschenkt. Heute
war wieder ein ganz Besonderer davon. Das Leben ist wunderbar.
Hans Pertsch
17.Mai 2016
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