Und wie es sich für einen richtigen Traum gehört, hatte Petrus ein Jahrhundertwetter beschert. Ein azurblauer Himmel mit einem nicht enden wollendem Fernblick verzauberte die Bergwelt des Wallis in eine Märchenkulisse. Trotz des Augenschmauses warteten auf die 500 Laufteilnehmer 12,5 Kilometer und 1000 Höhenmeter die zu überwinden waren.
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Und so habe ich es erlebt.
Als „altem Hasen“ entgeht mir nicht, dass außer mir, jede Menge Läuferinnen und Läufer mächtig angespannt sind. Mit einer Begrüßung da und ein Späßchen dort, überspielen viele das kribbeln im Bauch das die Schnellen mit den Langsamen verbindet. Ich, der zur letzteren Gruppe zählt, macht das bei jedem Rennen mit. Nur jetzt ist es ein bisschen intensiver. Denn heute stehen nur „Bergsteiger“ am Start, die wissen was auf sie zukommt. Der gemeine Volksläufer ist hier eher Zaungast.
Punkt 9.30 Uhr jagt die Meute los. Wer auf den ersten beiden „flachen“ Kilometern abreißen lässt, wird den Rest der Strecke alleine unterwegs ein, sagt mir meine Erfahrung aus anderen Bergläufen.
Folglich beiße ich die Zähne zusammen, und komme zusammen mit einer Gruppe von etwa 10 Personen am ersten richtigen Berg an.
Eigentlich wäre jetzt eine „Fotopause“ notwendig, aber keiner meiner Mitläufer scheint an meinem Angebot Interesse zu zeigen. Gehend meistern wir die nächsten Kilometer bis zum ersten Verpflegungspunkt.
Als „Selbstversorger mit Rucksack“ presche ich an meiner dürstenden Gruppe vorbei. Zur Halbzeit, bei Kilometer 6 schaue ich auf meine Uhr. 50 Minuten, selbstherrlich klopfe ich mir auf die Schulter. Längst haben mich meine Freunde wieder eingeholt und bestimmen nun sogar das Tempo. Die Höhenluft macht mir zunehmend immer mehr zu schaffen. Bin halt nur ein „Hügelläufer“.
Bei Kilometer 9 schaffe ich mit der gleichen Verpflegungstaktik wieder den Anschluss.
„Jetzt keinen mehr vorlassen“, versuche ich mir ins Gehirn zu hämmern. Aber mein Pulsschlag ist
scheinbar so laut, dass meine Worte oben im Kopf nicht mehr ankommen.
Längst ist die Baumgrenze überschritten, und wir stolpern in glühender Sonne über Steine und Wurzeln der Bergstation entgegen.
Noch einmal ein gequältes Lächeln für den Fotografen und dann ist das Ziel endlich in Sicht. Im wunderschönen schweizerdeutsch werde ich am Rande des Matterhorn vom Sprecher empfangen.
Eine Medaille und ein Schluck Flüssigkeit für selbstgewählte Qualen warten als Entschädigung auf mich. Dankbar nehme ich beides entgegen. Kein Champagner der Welt hat den herrlichen Geschmack wie der erste Becher Wasser nach der Ziellinie.
Mit 2:12 Std. Minuten war ich mehr als doppelt so lange unterwegs wie der junge Sieger aus dem afrikanischen Eritrea.
Vordergründig redet man sich ein, dass der Platz und die Zeit ja nur zweitrangig sei. Aber der Spruch von „dabei sein ist alles“, ist nicht nur bei Olympia ziemlich verlogen. Der Kampf, nicht als Letzter anzukommen, lebt in steter Brüderschaft mit undankbaren andern Plätzen. Aber auch diese Herausforderung hat seine Reize.
Der Matterhornlauf ist aber nicht nur für mich Geschichte. Er war auch der letzte seiner Art.
Ersetzt wird es im nächsten Jahr durch drei „neuzeitige“ Ultratraks über verschiedenen Distanzen.
Aber meine Träume gehen weiter. Das Nebelhorn, der Großglocker und mancher andere Hohe warten noch auf meine Geschichte.
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