Für Asterix und die Gallier war es der Zaubertank, für die
Teilnehmer beim Rennsteiglauf in Thüringen ist es der Haferschleim, der
mystische Kräfte verleihen soll.
Aber so ganz wollten sich mein Freund Martin Kölsch und ich
nicht auf das sagenumworbene Getränk, dessen Zusammenstellung streng geheim
ist, verlassen. Bereits seit den ersten
Tagen dieses Jahren hatten wir fleißig an den Trainingsplänen eines gemeinsamen
Supermarathonlaufes über 73 Kilometer gebastelt.
Aber nicht alles im Leben ist kalkulierbar. Mitten in der
Vorbereitung platzte mein Traum von
Supermarathon. Eine unerwartete schwere Erkrankung brachte mich an den Rand
einer Totalabsage. Gezwungenermaßen
ging man fortan getrennte Trainingswege. Während Martin sich nun alleine über
lange Trainingsdistanzen quälen musste, hielt ich mich anfangs mit gehen und
später mit wandern einigermaßen fit. Mit vielen Selbstzweifeln und einigen
langen Lauftests, entschied ich mich kurzfristig wenigstens den Halbmarathon zu
laufen.
Aber auch meinen Freund Martin erwischte es noch im letzten
Moment. Eine Erkältung mit starkem Husten legte ihn in der letzten
Trainingsendphase flach.
Obwohl uns unser Pirmasenser Laufteam mit tausend guten
Wünschen auf die Reise schickte, war irgendwie die große Euphorie im Eimer. So
saßen wir dann am Vorabend des Laufes
mit unseren Frauen in einer Thüringischen Pizzeria bei etwas gedämpfter
Stimmung über unserer letzten Pasta. Man mied das aussprechen von Rekord und Wunschzeiten
und fachsimpelte stattdessen lieber über bevorstehende Anstiege, Verpflegung
und die großen Glücksgefühle bei der Zielankunft.
Bei allen Disziplinen des Rennsteiglaufes heißt es „der
frühe Vogel fängt des ersten Wurm.“
Für den Supermarathoni Martin fuhr der Bus zum Start bereits
um 3.00 Uhr morgens los.
Ich war etwas glücklicher dran. Nicht nur meine Laufstrecke
war kürzer, nein auch meine Anfahrt erlaubten mir theoretisch 2 Stunden
längeren Schlaf. Da meine Nerven vor allen Läufer aber immer ein bisschen
blanker liegen, konnte ich den Vorteil nicht nutzen.
Ob gut gelaunt oder Morgenmuffel. Am Rennsteiglied und dem
Schneewalzer kommt keiner der Teilnehmer in seinem Start Ort vorbei. Martin in
Eisenach und ich in Oberhof. Schunkeln, singen und tanzen in den frühsten
Morgenstunden ist für alle Läuferinnen und Läufer ein regelrechtes Muss. Und es
werden keine Ausnahmen zugelassen, alle sind dabei.
Für die Läufer auf der 73 Kilometerstrecke geht es erst
einmal 25 Kilometer bergauf.
Kräfteeinteilen ist erste Pflicht. Hier vergeudete Energie wird am
Schluss hart betraft. Das gleiche gilt für die Aufnahme von essen und trinken.
Magen und Darm sind keine Spaßvögel. Wenn sie rebellieren ist der Traum von
Zieleinlauf und dem heißbegehrten Finisher Trikot schnell zu Ende.
Mein Freund Martin hat dieses Mal keinen guten Tag erwischt.
Krämpfe quälen ihn in diesem Jahr bereits frühzeitig. Die Option „aufgeben“
zieht aber ein Ultraläufer in den seltensten Fällen. Kämpfen und durchbeißen
ist ihre Parole. Auch Martin wählte diesen Weg. Aber er leidet nicht lange
alleine. Nach und nach versammeln sich um ihn herum drei weitere Magen und
Fußkranke. Gemeinsam sind sie in ihrer Schwäche stark.
Mit Foto bewaffnet warte ich einige hundert Meter vor dem Ziel auf ihn. Als er mich sieht reißt er glücklich die Arme hoch. Das schönste Ziel der Welt in Schmiedefeld liegt vor seien Augen.
Mein eigener Zieleinlauf liegt zu diesem Zeitpunkt nun schon
einige Stunden zurück.
Das große Ziel „Hauptsache Ankommen“, hatte ich schon früh
unterwegs nach unten korrigiert. Es rollte einfach richtig gut. Stolz und
glücklich lief ich exakt 82 Tage nach meiner Lungenembolie in 2.39 Std. über
die Ziellinie.
Die angedrohten Steigungen entpuppten sich als „Kopien des
Pfälzerwaldes.“ Meine vielen schnellen Wandereinheiten der letzten Wochen
machten sich positiv bemerkbar. An den etwas steileren Stellen stieg ich auf
den schnellen kraftschonenden Gehschritt um.
Perfekt für Läufer deren Luft am Berg schon mal etwas knapper wird.
Meine etwa 7000 Mitläufer gehören eher der Sparte
Freizeitläufer an. Bei denen geht es oft etwas lustiger zu, und bei manchen
Gruppen hat man das Gefühl, dass sie sich auf einem Betriebsausflug befinden.
Mitten im Feld, wo ich mich aufgehalten habe, war es
ziemlich voll. An den engeren Passagen ist mein Kampfgeist gefordert. Hier ist
Überholen kaum möglich. Wer sich die falschen Vorderleute aussucht, kann viel
Zeit verlieren.
Obwohl eine größere Menge an Läufern quasi zeitgleich
einläuft wird jeder vom Sprecher persönlich begrüßt.
Am Rennsteig ist das selbstverständlich. Wie so vieles
Andere bei der perfekten Organisation des Thüringischen Traditionslaufes. Wie
persönlich der Service hier ist, erfahre ich am Abend vor dem Festzelt. Angela,
vom Rennsteigverein gratuliert mir und erkundigt sich über meinem
Gesundheitszustand. Wahnsinn, 15000 Menschen waren hier am Start, und man nimmt
sich trotzdem die Zeit, für das Schicksal eines 08/15 Läufers. Hierfür einen ganz besonderen Dank.
Ob es am oben genannten Haferschleim oder am kostenlosen
Läuferbier liegt, oder aber ganz andere Ursachen hat, ist nicht bekannt oder
nachgewiesen. In Schmiedefeld geht es jedenfalls am Abend im Bierzelt noch
einmal richtig rund. Und zwar nicht im sitzen sondern stehend auf Bänken und Tischen.
Die morgens am Start bereits geübten Lieder werden nun durch meist gut geölte
Kehlen in ohrenbetäubender Lautstärke geschmettert. Eine fast unwirkliche
Mischung aus Brüderlichkeit und Kameradschaft weht durchs Bierzelt und zieht
alle in Ihren Bann.
Man spürt förmlich wie die Last des Laufes und die Belastung
der vielen Trainingstunden von den Läufern abfällt. Die Schmerzen werden zur
schönsten Nebensache der Welt.
Nur so kann man auch verstehen, dass es an diesem Abend eine
Selbstverständlichkeit ist sich mit den Worten zu verabschieden, Tschüß bis
nächste Jahr.
Ich habe mal nur zurück gewunken. Nach Halbmarathon und
Marathon gäbe es eigentlich nur noch die Steigerung Supermarathon. Vielleicht
frage ich mal das Orakel.
Hans Pertsch Mai 2015
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen