Montag, 22. Juli 2013

Passt - Großglockner Berglauf 2013



„Passt“, Das meistgesprochene Wort in Österreich, passt auch für meinen Berglauf am Großglockner. Er war steiler, heißer und anspruchsvoller als alle meine bisherigen Bergläufe, aber ich bin oben angekommen. Es hat gepasst!

„Gell, der Wettergott ist Kärntner“,  ruft mir ein Einheimischer zu, als ich bereits morgens um 7:00 Uhr vor dem Hotel den Blick in die Berge schweifen lasse. Ich habe die letzte Nacht schlecht geschlafen. Die vielen Geschichten und Lifeberichte vom „Mythos“ Großglocknerberglauf haben mich aufgewühlt.
Obwohl ich eigentlich gut trainiert bin und schon einige große Bergläufe hinter mir habe, sind die Gefühle heute ein bisschen anders. Die Stimmung zwischen Freude und Bedenken ändert sich von Minute zu Minute.
Mein gequältes Lächeln teile ich mit etwa tausend anderen Läuferinnen und Läufer. Der kleine Ort Heiligenblut unterhalb des Großglockners schafft es tatsächlich wieder einmal eine vierstellige Zahl von Bergläufern aus vielen Nationen in den Ort zu locken, Übrigens, um dieses Großereignis zu stemmen, sind mehr als 25% der hiesigen Bevölkerung ehrenamtlich an der Organisation beteiligt.
Heute wird ein extrem heißer Tag. Zur Startzeit um 10:00 Uhr sind die Schattenplätze im Startbereich bereits Mangelware. Das Thermometer zeigt  jetzt  schon 25° an. Später werden es im Tal 30° sein, im Zielbereich auf 2300 Metern etwa 10° weniger.
Im 3.Starterfeld habe ich noch etwas Galgenfrist. Weil die Wege teilweise sehr eng sind startet man im 10 minütigem Abstand.
Der erste Kilometer ist das einzige richtige Flachstück auf den kommenden 13 Kilometern.

Aber das "Geschenk" der flachen Strecke wird nicht genossen. Obwohl ich mich unter den „Langsamen“ befinde, wird gerannt als gebe es kein morgen mehr. Der Spurt findet aber ein schnelles Ende. Der erste Anstieg mit über 400 Höhenmeter treibt den Schweiß anständig aus den Poren. Da wir die Baumgrenze noch nicht erreicht haben, wird jeder Meter Schatten ausgenutzt. Hinter der erste Verpflegungsstation geht es leicht bergab. „so schlimm war`s ja gar nicht“, denke ich in Unkenntnis des nahenden zweiten Anstieges. Hier geht es auf ca. 1,5 Kilometer 300 Höhenmeter hoch. Ich muss die ersten Gehpausen einlegen. Das Wort „laufen“ ist in meinen Vorstellungen für diese Streckenabschnitte einfach unvorstellbar.
Die Ersten, die jetzt schon knapp vor de Ziel sind, können darüber wahrscheinlich nur lächeln.
Als „Selbstverpfleger“ nutze ich an der 2.Verpflegungsstelle die Gunst der Stunde zum vorübergehenden Überholen einer ganzen Schar von dort verweilenden Läufern. „wieder ein bisschen Abstand nach hinten gewonnen“, freue ich mich diebisch.
Obwohl jetzt ein paar flachere Anstiege kommen ist an ein flüssiges Laufen nicht mehr zu denken. Der Boden lässt keine koordinierten Schritte mehr zu. Ich bin heute auch viel ängstlicher und vorsichtiger als sonst. Manche Schritte plane ich, bevor ich sie gehe. Und das nicht ohne Grund. Vor genau 20 Jahren flog ich mit einem gebrochen Fuß schon einmal mit dem Hubschrauber vom Großglockner via Krankenhaus ins Tal. Ereignisse die prägen und nicht so leicht abzuschütteln sind.
Inzwischen liegen alle Schattenspender hinter uns. Gnadenlos brennt die Sonne vom Himmel und zehrt spürend an meiner Kraft. Dafür ist der Ausblick traumhaft. Vor uns der Gletscher des Großglockners, unter uns der türkisfarben schimmernde Stausee und unendlich weit über uns, das Ziel „die Kaiser Franz Josef Hütte“.

Die letzten Kilometer vor dem Endanstieg erfordern läuferische Höchstleistungen. Vorbei am tosenden Wasserfall geht es über eine Hängebrücke nur noch auf teils abschüssigen Felsen dem letzten Servicepunkt entgegen. Wer hier zu spät ankommt, wird aus dem Rennen genommen. Mit einer halben Stunde Reserve liege ich noch gut in der Zeit.
Aber es ist ruhig geworden um mich. Den „Mädels vom Service“ rufe ich bereits von weitem zu „wartet Ihr alle auf mich?“ Von allen Seiten werde ich mit Wasser, Obst und Schwämmen versorgt. Aber vor allem die lieben und netten Anfeuerungen gehen mir unter die Haut.

Beim weiterlaufen spricht mich ein älterer Einheimischer an. „Wie alt  bist Du?“ „60 Jahre“ antworte ich keuchend. „Respekt, wenn ich da meine Ochsen hochtreiben würde, bekäme ich eine Anzeige wegen Tierquälerei “, ruft er mir hinterher. Gut das der nette Mann mich nicht ein paar hundert Meter weiter oben gesehen hat. Die 900 Meter lange Himmelsleiter wird zur echten Qual für mich.
350 Holz und Steinstufen mit 250 Höhenmetern bei immer dünner werdende Luft setzen  mir enorm zu. Ich werde zum Pausenkönig. Zum ersten Mal schauen mir die Ärzte der Bergwacht etwas tiefer in die Augen. Aber ich lächle freundlich zurück und werde als „tauglich“ durch gewunken. Der endlos lange letzte Anstieg hat meine Zeitvorstellung völlig durcheinander gebracht. Aber mir ist die Laufzeit von 3:25 Std. heute völlig egal.
Hier oben auf der Franz Josef Hütte eine Medaille um den Hals gehängt zu bekommen, ist eine besondere Auszeichnung, bekomme ich am Abend dutzendfach zu hören. Ich glaube es nicht nur den Leuten, ich bin davon überzeugt, dass sie recht haben.

                        Weitere Bilder kommen morgen

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